Lagerungsschwindel – Teil 2: The bad…

Im ersten Teil unserer Reihe zum Lagerungsschwindel sind wir sehr allgemein auf die Erkrankung eingegangen. Etwas unterschlagen wurde, dass der gutartige Lagerungsschwindel des posterioren Bogengangs (pc-BPPV, für posterior canal-BPPV) eigentlich nur die häufigste Variante des Lagerungsschwindels darstellt. In diesem Beitrag möchten wir die zweithäufigste Varianten beleuchten, nämlich den gutartigen Lagerungsschwindel des horizontalen Bogengangs (hc-BPPV).

Symptomatik

Die Symptomatik entspricht der des Lagerungsschwindels allgemein: plötzliche, anfallsartige Drehschwindelattacken, häufig beim Drehen im Bett oder bei sonstigen Kopfdrehungen. Es handelt sich also um ein triggerbares episodisches vestibuläres Syndrom (t-EVS). Begleitend kann es zu Übelkeit und/oder Erbrechen kommen. Eine vegetative Begleitsymptomatik mit Schweißausbruch, Blässe, Tachykardie und arterieller Hypertonie tritt ebenfalls häufig auf.

Epidemiologie

Waren die Zahlen zur Häufigkeit des Lagerungsschwindels des posterioren Bogengangs schon kaum erfasst, so sieht es mit dem horizontalen Bogengang noch schlechter aus: es gibt keine systematischen Erfassungen zur Häufigkeit in der Notfallmedizin. Aus den Registern großer Schwindelzentren wissen wir, dass der horizontale Lagerungsschwindel bis zu 1/3 der Varianten des Lagerungsschwindels ausmacht. Die Zentren sehen aber vermehrt komplexe Fälle, die beim horizontalen häufiger als beim posterioren BPLS auftreten, sodass die Zahlen in der Notaufnahme wohl geringer sein werden. Aus eigener Erfahrung lässt sich aber sagen, dass insbesondere mit steigendem Alter der Patient:innen die Inzidenz der horizontale Variante zunimmt.

Nimmt man als grobe Faustregel an, dass ca. 5 % aller Vorstellungen in der Notaufnahme mit Leitsymptom Schwindel auftreten, hiervon 50 % aufgrund von Lagerungsschwindel und davon wiederum 10 % aufgrund eines hc-BPPV auftreten, so trifft man in einer großen deutschen Notaufnahme mit 50.000 Patientenkontakte/Jahr auf rund einen Patienten mit hc-BPPV alle 3 Tage. Das sind, sowohl nach verfügbarer Datenlage als auch persönlicher Erfahrung, realistische Zahlen.

Pathophysiologie

Analog zum posterioren BPLS kommt es zum Verschieben von Otolithen in den horizontalen Bogengang (Canalolithiasis), welche aufgrund ihrer Masseträgheit zu einer Auslenkung der Endolymphe und damit der Haarzellen im Bereich der Cupula führen. Dabei ist der horizontale Lagerungsschwindel aufgrund der anatomischen Lage häufig stärker und länger anhaltend; in seltenen Fällen kann es dann, je nach Kopfposition, auch zu anhaltenden Schwindelattacken kommen, da häufiger Anhaftungen der Otolithen an der Cupula auftreten (Cupulolithiasis). Gleichzeitig ist das Lösen der Otolithen anatomisch simpler, und viele Fälle lösen sich spontan von selbst ohne Intervention von außen.

Diagnostik

Anamnese und diagnostisches Vorgehen entsprechen dem Ablauf bei Lagerungsschwindel im Allgemeinen.

Die Patient:innen geben in aller Regel einen intensiven Schwindel an, der durch Kopfbewegungen ausgelöst wird. Begleitend tritt ein anfallsartiger horizontaler Nystagmus auf und es kommt ggf. zu Übelkeit und/oder Erbrechen. Fokal-neurologische Auffälligkeiten dürfen nicht bestehen.

Diagnostisches Lagerungsmanöver

Das entsprechende Lagerungsmanöver des hc-BPPV ist der Supine Roll Test (SRT).
In diesem wird der Patient zunächst flach auf dem Rücken auf der Liege gelagert. Der Kopf wird nun durch den Untersucher um ca. 30 Grad nach vorne gebeugt, d.h. das Kinn zur Brust geführt. Anschließend wird der Kopf – in dieser Beugung – in einer flüssigen Bewegung um ca. 90 Grad zu einer Seite gedreht (der Patient schaut zur Schulter) und in dieser Position für min. 30 Sekunden gehalten. Es sollte mit einer kurzen Latenz zu einem hochfrequenten, hochamplitudigen Nystagmus in horizontaler Richtung kommen.

Hierbei unterscheidet man, je nach Schlagrichtung des Nystagmus, zwei Varianten:

  • Der geotrope Nystagmus schlägt in die Richtung, in die der Kopf gedreht wurde, d.h. wurde der Kopf um 90 Grad nach rechts gedreht, schlägt der Nystagmus nun auch nach rechts (und damit, aufgrund der Liegeposition des Patienten, Richtung Boden – daher die Benennung geotrop = der Schwerkraft folgend). Dreht der Patient den Kopf nach links, so wechselt der Nystagmus seine Schlagrichtung und schlägt nunmehr auch nach links.
  • Der apogeotrope oder kurz ageotrope Nystagmus schlägt in die Gegenrichtung der Kopfdrehung, d.h. bei Kopfdrehung nach rechts schlägt der Nystagmus nach links (und daher aus Sicht des Untersuchers „gegen die Schwerkraft“). Meistens schlägt dieser Nystagmus im Vergleich zur geotropen Variante mit deutlich geringerer Amplitude und Frequenz.

Man wartet nun so lange ab, bis der Schwindel und Nystagmus verebben; dies dauert meistens etwa 20 Sekunden bis 1 Minute, somit tendentiell länger als beim pc-BPPV. In selteneren Varianten kann der Nystagmus anhalten (hierzu später mehr). Nach spätestens 1 Minute (bzw. früher, sobald der Nystagmus verebbt ist) dreht man den Kopf um 180 Grad zur Gegenseite und beobachtet nunmehr wiederum den einsetzenden Nystagmus. Dieser sollte jetzt seine Schlagrichtung ebenfalls geändert habe, d.h. bei Kopfdrehnung nach links schlägt der geotrope Nystagmus nunmehr ebenfalls nach links, der ageotrope Nystagmus nach rechts. Typischerweise schlägt er dabei in eine Richtung deutlich stärker (mit größerer Amplitude und häufig auch mit etwas höherer Frequenz) als in die andere – welche Richtung das ist, ist therapieentscheidend und muss daher bemerkt werden!

Therapeutische Befreiungsmanöver

Auch für den horizontalen Bogengang gibt es mehrere Beschreibungen von Befreiungsmanövern. Das aus unserer Sicht und auch in der Literatur am meisten etablierte Manöver ist das sog. Barbeque-Manöver (auch: Barbecue-Manöver, BBQ-Manöver oder bisweilen Lempert-Manöver nach dem Erstbeschreiber Prof. Lempert). Wie schon der Begriff erahnen lässt, muss sich der Patient dabei in liegender Position einmal komplett um seine Longitudinalebene drehen – fast wie auf einem Barbeque-Drehspieß!

Am Beispiel für die Befreiung des rechten horizontalen Bogengangs beginnt der Patient in flach liegender Position auf dem Rücken. Der Kopf ist um ca. 30 Grad nach vorne gebeugt und ca. 60 Grad nach rechts gedreht (Ausgangsposition ist also die Endposition des Supine Roll Test). Der Kopf bzw. Körper wird nun nacheinander in unterschiedliche Positionen gedreht, wobei die Positionen jeweils für ca. 30 Sekunden bzw. solange wie Schwindel und Nystagmus anhalten eingehalten werden sollten. Während der Drehungen soll der Kopf möglichst nur in der Logitudinalachse bewegt werden, d.h. der Patient soll sich nicht aufrichten, den Kopf beugen oder strecken oder umherschauen!

  1. Flaches Liegen auf dem Rücken, der Kopf ist um 30 Grad zur Brust gebeugt und schaut um 60 Grad zur rechten Schulter gedreht in Richtung Wand
  2. Kopfdrehung um 60 Grad zur Mitte hin, der Patient schaut zur Decke
  3. Kopfdrehung um 60 Grad zur linken Seite, der Patient schaut zur gegenüberliegenden Wand
  4. Körperdrehung um 180 Grad nach links mit begleitender Kopfdrehung; der Patient liegt nun flach auf dem Bauch, der Kopf schaut Richtung Liege, das Kinn ist weiterhin ca. 30 Grad Richtung Brust gebeugt
  5. Kopf und Körper werden um 90 Grad nach links gebeugt, der Patient liegt auf der Seite und schaut wieder zur ursprünglichen Wand
  6. Der Patient richtet sich auf, ohne zwischenzeitlich auf den Rücken zu rollen; idealerweise hängt er seine Beine bereits in Position Nr. 5 seitlich an der Liege heraus und kann sich so direkt in die sitzende Position bringen (ggf. mit Unterstützung des Untersuchers)
Herzlichen Dank an die Kollegen Moritz Bingold und Jonathan Voge für die Unterstützung bei der Erstellung.

Welche Seite ist betroffen?

Beim pc-BPPV war die Wahl der Seite simpel: Auf der Seite, wo der Nystagmus auftrat, wurde auch befreit. Leider ist dies beim hc-BPPV aufgrund anatomischer und physiologischer Besonderheiten des horizontalen Bogengangs schwieriger zu entscheiden. Es gibt jedoch simple Faustregeln mit sehr gutem Erfolg:

  • Im Fall der geotropen Variante des hc-BPPV wird nach der Seite befreit, wo der stärkere Nystagmus bzw. Schwindel aufgetreten ist. Schlägt der Nystagmus bei Kopfdrehung nach links deutlich stärker als bei Drehung nach rechts, wird also das linksseitige Barbeque-Manöver angewandt.
  • Im Fall der apogeotropen (ageotropen) Variante wird nach der Seite befreit, wo der schwächere Nystagmus bzw. Schwindel aufgetreten ist.
  • Bei Uneindeutigkeit des Nystagmus (d.h. beidseits ungefähr gleich stark) entscheidet der subjektive Schwindeleindruck des Patienten; auch hier bei der geotropen Variante nach der Richtung des stärkeren Schwindels, bei der ageotropen Variante nach dem schwächeren Schwindel.
  • Sollte es immer noch uneindeutig sein, muss die Behandler:in eine Entscheidung treffen; pragmatisch ist hier zunächst das Befreiungsmanöver nach rechts, gefolgt von einem Befreiungsmanöver nach links, und anschließend die Neubeurteilung mit einem diagnostischen Lagerungsmanöver. Oft genug kommt es schon nach einmaliger Befreiung zu einer signifikanten Besserung der Beschwerden und ggf. einer Konversion von einem ageotropen zu einem geotropen Nystagmus, der besser beurteilt werden kann.

Prognose

Die Prognose ist sowohl im spontanen als auch im behandelten Fall sehr gut, sogar besser als beim pc-BPPV. Die Patient:innen, die sich in der Notaufnahme vorstellen, sind aber meistens komplexere Fälle, welche sich eben nicht spontan lösen, sodass hier die sorgfältige Durchführung der Befreiungsmanöver einen wichtigen Stellenwert einnimmt.

Aufgrund der Besonderheit, dass in diesem Fall ein richtungswechselnder positionsabhängiger Nystagmus (direction changing positional nystagmus, DCPN) vorliegt, der auch ein Merkmal eines zentralen Lagerungsschwindels darstellt, ist die Gefahr für Fehldiagnosen beim hc-BPPV definitiv höher als beim pc-BPPV. Die sorgfältige neurologische Untersuchung nimmt daher einen großen Stellenwert ein. Selbst bei kleinen Zweifeln sollte hier großzügiger eine weiterführende Stroke-Diagnostik inkl. cMRT erfolgen als beim pc-BPPV. Daher rührt auch der Name dieses Beitrages: während der pc-BPPV eine sehr rasch und sicher zu stellende Diagnose ist, ist sie beim hc-BPPV potentiell „gefährlicher“.

Entlassmanagement

Sofern Patienten nach Befreiungsmanöver im Rettungswagen bzw. Notaufnahme bereits eine signifikante Besserung erleben, kann die Diagnose als gesichert angesehen werden. Ob die häusliche Beübung nach erfolgreicher Befreiung einen prophylaktischen Nutzen vor einem Rezidiv erbringt, ist umstritten. Erfahrungsgemäß freuen sich aber die meisten Patient:innen, wenn sie einen Teil zu ihrer Genesung beitragen können, und ein Schaden ist nicht zu erwarten. Ich empfehle üblicherweise die Beübung 1x täglich für 1 Woche.

In jedem Fall sollte vor Entlassung – auch bei subjektiv erfolgreicher Befreiung – ein erneutes diagnostisches Lagerungsmanöver erfolgen. Nicht selten kommt es nämlich zur Konversion hin zu einem posterioren Lagerungsschwindel, welcher wiederum mit dem passenden Befreiungsmanöver behandelt werden muss, bevor die Patient:innen sicher nach Hause entlassen werden können.

Bei unklaren Fällen kann pragmatisch zunächst die Beübung der einen Seite 1x täglich für 1 Woche, anschließend die Beübung der Gegenseite für 1 Woche erfolgen. Zudem sollte man die Weiterbehandler:innen auf die mögliche Differentialdiagnose eines zentralen Lagerungsschwindels hinweisen, sodass bei fehlendem Ansprechen nach 2 Wochen eine cMRT mit Stroke-Protokoll und ggf. Überweisung oder Einweisung zur Neurologie erfolgen sollte.

Weil sich nach diesem Text vielleicht noch weitere Fragen ergeben, sei hier noch auf zwei weitere Punkte eingegangen:

Ein richtungswechselnder Nystagmus als Zeichen eines „gutartigen“ Lagerungsschwindels?

Wer ebenso wie ich ein großer Freund des HINTS-Algorithmus ist, wird sich beim vorletzten Absatz vielleicht am Kopf gekratzt haben: ein gutartiger Lagerungsschwindel soll durch einen durch Lagerung ausgelösten richtungswechselnden Nystagmus gekennzeichnet sein? Völlig unmöglich, denn im HINTS-Algorithmus ist ein richtungswechselnder Nystagmus doch eindeutig als pathologisches Zeichen einer zentralen Ursache für Schwindel hinterlegt! Folglich müsste man in diesem Fall doch sofort zum cCT und über eine Stroke-Behandlung nachdenken!

Leider ist das jedoch eine unzulässige Vereinfachung, und ich möchte diese Zeilen gerne nutzen, um nochmal auf die Indikation für den HINTS-Algorithmus hinzuweisen:

Merke: Der HINTS-Algorithmus wurde zur Diagnostik bei einem akuten vestibulären Syndrom (AVS) entwickelt. Dieses ist gekennzeichnet durch Spontannystagmus (in Ruhe!), Übelkeit/Erbrechen und Gangunsicherheit.

Da dieses Syndrom beim hc-BPPV nicht vorliegt (es fehlen Spontannystagmus und Gangunsicherheit), soll HINTS nicht angewandt werden. Folglich gibt es auch kein Problem, und HINTS behält seine Gültigkeit und hervorragende Aussagekraft – solange man die Indikation beachtet.

Weitere Varianten des gutartigen horizontalen Lagerungsschwindels – sogar mit Spontannystagmus! (klick auf mich)

Ich weiß, dass es bislang schon viel Text war, und beim ersten Mal ist es alles andere als einfach verständlich – und deshalb ist der folgende Abschnitt auch wirklich nur an #Schwindelnerds gerichtet! 😉

Wie schon erwähnt, gibt es eine Variante des hc-BPPV, der mit einem persistierenden Nystagmus bei Kopfdrehung auftritt. Doch halt – wenn ein persistierender Blickrichtungs- oder gar Spontannystagmus auftritt, haben wir es dann überhaupt noch mit einem triggerbaren Schwindel zu tun? Tatsächlich ja, doch schauen wir es uns Stück für Stück an.

Syndromal ändert sich an der Ersteinschätzung des Schwindels zunächst nichts, denn die Patient:innen schildern typischerweise immer noch anfallsartigen Schwindel, der mit Kopfdrehungen auftritt. Es handelt sich also weiterhin um ein t-EVS (triggerbares episodisches vestibuläres Syndrom). Die erste Überraschung sieht man aber beim Blick in die Augen, denn es zeigt sich bereits in liegender Position ein Blickrichtungsnystagmus oder sogar ein sehr dezenter Spontannystagmus, der in sitzender Position (und insbesondere bei Kopfbeugung um 30 Grad in aufrechter Körperposition) verschwindet. Was ist hier los?

Diese Varianten des hc-BPPV sind in der Literatur bislang uneinheitlich benannt worden, am ehesten hat sich jedoch der Begriff des Light cupula syndrome bzw. Heavy cupula syndrome durchgesetzt. Die Theorie ist, dass sich – z. B. aufgrund einer erhöhten Proteinmenge in der Endolymphe oder aufgrund Anhaftungen an der Cupula – die Dichte von Endolymphe oder Cupula so verändern, dass die Cupula dauerhaft leichter (bzw. schwerer) als die Endolymphe ist. Dies sorgt für eine persistierende, leichte Auslenkung der Stereozilien auf den Haarzellen, und damit zu einem persistierenden, niedrigamplitudigen, niederfrequenten Blickrichtungs- und ggf. Spontannystagmus. Durch die Kopfbeugung um 30 Grad im Sitzen bringt man den Bogengang genau in seine Horizontalebene, sodass die Schwerkraft unabhängig vom Dichteunterschied nicht mehr zu einer Auslenkung der Haarzellen führt – der Nystagmus sistiert nun. Man spricht daher korrekterweise von einem Pseudospontannystagmus, denn ein „echter“ Spontannystagmus würde unabhängig von der Kopf- bzw. Körperposition bestehen bleiben.

Hier Bild mit Bogengang einfügen, in dem man die Ebene und Einwirkung der Schwerkraft sieht

Es hat sich dabei der Konsens ausgebildet, dass ein Light cupula syndrom dem klinischen Bild eines geotropen horizontalen Lagerungsschwindels entspricht, d.h. es tritt ein geotroper horizontaler Nystagmus auf, der jedoch im Gegensatz zum typischen geotropen hc-BPPV unerschöpflich ist (= nicht nach spätestens 1 Minute aufhört, sondern anhaltend schlägt, solange die auslösende Kopfposition beibehalten wird). Das Heavy cupula syndrome entspricht einem ageotropen horizontalen Lagerungsschwindel, d.h. ageotroper horizontaler Nystagmus, der unerschöpflich ist. Die Therapie erfolgt analog, d.h. das Light cupula syndrom wird mit einem Barbeque-Manöver in die Richtung des stärker schlagenden Nystagmus behandelt, beim Heavy cupula syndrome nach der Richtung des schwächer schlagenden Nystagmus.

Einschränkend muss gesagt werden, dass es sich um ein modernes Krankheitsbild handelt und viele Fragen ungeklärt sind. Es gibt somit aktuell keinen klaren Konsens über Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Üblicherweise wird daher die gleiche Therapie wie beim (typischen) hc-BPPV vorgeschlagen – mit tatsächlich auch sehr gutem Erfolg. Jedoch ist die Verwechselungsgefahr mit einem zentralen Lagerungsschwindel ungleich höher, da auch hier Spontan- und/oder Blickrichtungsnystagmen auftreten können. Pragmatisch ist die Durchführung von Befreiungsmanövern, ggf. für beide Seiten. Sollten die Beschwerden nach mehreren Befreiungsmanövern wider Erwarten nicht rückläufig sein, so deutet dies tendenziell doch auf einen zentralen Lagerungsschwindel hin, und die Diagnostik sollte um eine Stroke-Diagnostik ergänzt werden. Mehr dazu folgt im dritten Teil dieser Serie.

Warum erwähne ich diese Variante an dieser Stelle? Einfach nur, weil man sich klar machen muss, dass ein BPLS im typischen Fall niemals mit einem Spontannystagmus oder mit einem Blickrichtungsnystagmus in Ruhe (!) einhergehen darf. Vielmehr treten die Nystagmen erst bei entsprechender Lagerung auf, und sind dann erschöpflich (= beenden sich spontan nach max. 1 Minute). Das klingt nun widersprüchlich, da ich gerade erst die Varianten als Ausnahme davon beschrieben habe, aber man muss sich vor Augen führen, wie selten diese erst vor wenigen Jahren erstbeschriebenen Varianten sind. Habe ich also eine Patient:in mit Spontannystagmus vor mir und ich gehe die möglichen Differentialdiagnosen durch, ist die Wahrscheinlichkeit für z. B. eine akute einseitige Vestibulopathie, eine vestibuläre Migräne oder auch einen Stroke immer noch um ein Vielfaches höher als die Wahrscheinlichkeit, es handle sich um einen gutartigen Lagerungsschwindel in atypischer Variante. Getreu dem Motto: Hörst du Hufgetrappel, denke an Pferde, nicht an Zebras.

Merke: Ein Spontan- oder Blickrichtungsnystagmus in Ruhe (!) ist typischerweise NICHT auf einen gutartigen horizontalen Lagerungsschwindel zurückzuführen. Zur Unterscheidung prüfe den Nystagmus in Kopfbeugung um 30 Grad: Ist er nun verschwunden, handelt es sich um einen Pseudospontannystagmus im Rahmen eines atypischen hc-BPPV.

Fazit

  • Denke bei Lagerungsschwindel nicht nur an den posterioren, sondern auch an den horizontalen Bogengang
  • Ist die Prüfung nach Dix-Hallpike nicht wegweisend, aber es wird ein Lagerungsschwindel vermutet, sollte als nächstes ein Supine Roll Test durchgeführt werden
  • Prüfe immer beide Seiten und entscheide dich dann nach Variante für das richtige Barbeque-Manöver:
    • geotroper Nystagmus = zur stärker schlagenden Seite befreien
    • apogeotroper Nystagmus = zur schwächeren Seite befreien
  • Bedenke auch seltene Varianten, aber …
  • … bleibe wachsam – die Verwechslungsgefahr eines hc-BPPV mit einem zentralen Lagerungsschwindel ist ungleich höher als beim pc-BPPV; die sorgfältige neurologische Untersuchung schützt dich vor Fehldiagnosen!

Ausgewählte Literatur

  1. Edlow, Jonathan A., Christopher Carpenter, Murtaza Akhter, Danya Khoujah, Evie Marcolini, William J. Meurer, David Morrill, u. a. „Guidelines for Reasonable and Appropriate Care in the Emergency Department 3 (GRACE-3): Acute Dizziness and Vertigo in the Emergency Department“. Academic Emergency Medicine: Official Journal of the Society for Academic Emergency Medicine 30, Nr. 5 (Mai 2023): 442–86. https://doi.org/10.1111/acem.14728.
  2. M. von Brevern u. a., „Benign paroxysmal positional vertigo: Diagnostic criteria“, J Vestib Res, Bd. 25, Nr. 3–4, S. 105–117, 2015, doi: 10.3233/VES-150553.
  3. Brandt, Thomas, M. Dieterich, und M. Strupp. Vertigo. 3. Aufl. Berlin [u.a.]: Springer, 2021.
  4. Kerber, Kevin A., Laura Damschroder, Thomas McLaughlin, Devin L. Brown, James F. Burke, Steven A. Telian, Alexander Tsodikov, u. a. „Implementation of Evidence-Based Practice for Benign Paroxysmal Positional Vertigo in the Emergency Department: A Stepped-Wedge Randomized Trial“. Annals of emergency medicine, 1. Januar 2019. https://doi.org/10.1016/j.annemergmed.2019.09.017.
  5. Timothy C. Hain. https://dizziness-and-balance.com/disorders/bppv/bppv.html, Website, zuletzt abgerufen am 21.05.2025.
  6. Peter Johns. https://www.youtube.com/@PeterJohns/videos, YouTube-Kanal, zuletzt abgerufen am 21.05.2025.

 


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