Kopfschmerzen – Teil 3: Kopf über Wasser halten

Wir beschäftigen uns nun mit der Akuttherapie von Kopfschmerzen.

Die analgetische Therapie richtet sich nach Art der Kopfschmerzen, bereits eingenommener Medikamente und patientenindividuellen Faktoren, was das Nebenwirkungsprofil angeht.

Begleitende Maßnahmen wie Ruhe, Dunkelheit und ggf. Kühlung nicht vergessen!

Therapeutische Optionen

Konventionelle Analgetika – Basisstufe

Bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Diverse Optionen: Naproxen 500 mg (Vorteil: lange Halbwertszeit), Ibuprofen 400 mg, ASS 1000 mg (cave: nicht bei V. a. intrakranielle Blutung!), Metamizol 1000 mg, Paracetamol 1000 mg

Sonderfall: Indometacin 25 mg bei paroxysmaler Hemikranie oder Hemicrania continua

Bezüglich der Wirksamkeit der einzelnen Substanzen existieren je nach genauem Kopfschmerztyp diverse Daten, für konkrete Empfehlungen s. unten. Eine orale Gabe, besonders bei leicht betroffenen Patient*innen, ist legitim. Bei Migräne kann das Erbrechen in fehlende Absorption der Analgetika führen; hier das Schmerzmittel primär mit einer prokinetischen Substanz wie Metoclopramid kombinieren. Wenn die Patient*innen allerdings den Rettungsdienst anrufen bzw. sich in der Notaufnahme vorstellen, kann man meistens davon ausgehen, dass sie schwerer betroffen sind; hier gewinnt die i.v. Gabe an Bedeutung.


Triptane

Bei Migräne oder Cluster-Kopfschmerz.

Schnellwirksam: Sumatriptan 3 oder 6 mg s.c. oder Zolmitriptan 5 oder 10 mg i.n.

Andere Triptane wirken langsamer und sind daher im Notfall eher weniger praktikabel.

Cave: Triptane sind bei schweren kardiovaskulären Erkrankungen kontraindiziert. 


Intranasale Ganglion sphenopalatinum-Blockade

Bei Trigeminusneuralgie, Cluster-Kopfschmerz, Migräne oder postpunktionellem Kopfschmerz.

Als Lidocain Spray (4 %, 4 Sprühstöße) oder via MAD (1-2 ml 4 % Lösung, ggf. wiederholen). Bei Applikation den Kopf dabei 30° nach hinten und 45° zur betroffenen Seite neigen.


Okzipitalnervblock

Bei Trigeminusneuralgie oder Hemicrania continua.

Injektion von 40 mg Lidocain und 4 mg Dexamethason. 

Injektionsstelle: Ziel ist der N. okzipitals major. Nadel bis Periost-Kontakt einführen, erst aspirieren dann injektieren (keine i.v. Gabe!). Nach ca. 15 Minuten Effekt (Hypo-/Anästhesie) testen.


Kausale Therapie

Zusätzlich bei sekundärer Ursache, z. B. antiinfektive Therapie bei Meningitis

Opioide sind bei primären Kopfschmerzen wirkungslos und sollten daher nicht eingesetzt werden!

Häufig haben die Patient*innen bereits Bedarfsmedikation, sei es ein NSAR, Metamizol und/oder Triptan eingenommen. Hier kann man ein anderes Medikament der Basisstufe versuchen bzw. die Triptan-Dosis wiederholen (nur falls die erste Gabe initial lindernd war). In der Präklinik sind die Optionen zwar limitiert, aber meistens schon ausreichend. Bei therapierefraktären stärksten primären Kopfschmerzen könnte man ggf. (Es-)Ketamin vorziehen. Für den Einsatz von Ketamin in diesem Setting besteht allerdings keine ausreichende Evidenz! Bei V. a. sekundären Kopfschmerzen kommen auch Opioide zum Einsatz. Bedauerlicherweise sind Opioide allerdings noch nicht flächendeckend für Notfallsanitäter*innen verfügbar. Bei Cluster-Kopfschmerz ist die Sauerstofftherapie Mittel der Wahl, welche zum Glück auch im außerklinischen Setting sehr gut möglich ist.


Konkrete Therapievorschläge

Migräne

Stufe 1: NSAR (beste Evidenz: ASS, Ibuprofen). ASS hat gegenüber Ibuprofen den Vorteil, dass es intravenös verabreicht werden kann

Stufe 2: Sumatriptan oder Zolmitriptan. Ggf. Lidocain

Stufe 3: Bei Status migraenosus (>72 h) zusätzlich als ultima ratio Steroide, z.B. Prednisolon i.v. 1 mg/kg, max. 100 mg


QuickSheet Akuttherapie Migräne-Attacke
1. Metoclopramid 10 mg i.v. + ASS 1000 mg i.v. 
2. Sumatriptan 6 mg s.c. + Naproxen 500 mg p.o. 
3. ggf. Lidocain i.n.
4. Status migränosus (>72h): Prednisolon 1 mg/kg (max. 100 mg) i.v.
Migräneattacke in der Schwangerschaft

Antiemetikum: Metoclopramid 10 mg. Schmerzmittel: im 1. und 2. Trimenon ist Ibuprofen Mittel der 1. Wahl, alternativ ASS. Im 3. Trimenon sind Ibuprofen, ASS und Metamizol kontraindiziert, hier kann Paracetamol verabreicht werden (allerdings: geringe analgetische Potenz). Triptan der Wahl: Sumatriptan.

Migräneattacke in der Stillzeit

Alle Antiemetika werden nicht empfohlen.  Die kurzfristige Einnahme von ASS oder Ibuprofen ist möglich, ohne die Milch abpumpen zu müssen. Triptan der Wahl ist auch in diesem Fall das Sumatriptan.


Cluster-Kopfschmerz

Stufe 1: Sauerstofftherapie (Maske 8-15 L/min) für 15 Minuten, wichtig: Kopf nach unten senken. (Cave: CO2-Narkose bei Patienten mit COPD)

Stufe 2: Sumatripran, alternativ Zolmitriptan.

Stufe 3: Lidocain i.n. ispilateral, Ketamin Kurzinfusion, Prednisolon 100 mg i.v. 


Spannungskopfschmerzen

Pfefferminzöl lokal (Einreiben auf der Kopfhaut, z.B. temporal) – tatsächlich evidenzbasiert!

NSAR (Ibuprofen, Paracetamol oder Kombipräparat ASS + Koffein + Paracetamol)

NSAR (Ibuprofen, Paracetamol oder Kombipräparat ASS + Koffein + Paracetamol)


Trigeminusneuralgie

Stufe 1: Carbamazepin 3 x 200 mg p.o. beginnen. Alternativ Oxcarbazepin. Add-on, beziehungsweise Überbrückung bis zum Wirkeintritt von Carbamazepin: Lidocain-Spray intranasal/intraoral. Weitere Akut-Optionen: Okzipitalnervblock, Ketamin via Perfusor.


Riesenzellarteriitis

Ohne Sehstörungen: Prednisolon 1mg/kg/24h (max. 60 mg) p.o.

Mit Sehstörungen: Methylprednisolon 500-1000 mg i.v. /24h 


Hemicrania continua

Indometacin 3 x 25 mg (plus weitere Aufdosierung), ggf. Okzipitalnervblock.


Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch

Einnahme reduzieren, neurologische Weiterbetreuung, bei Opioiden ggf. stationärer Entzug. Zur Behandlung der akut-exazerbierten Kopfschmerzen unter Medikationsreduktion: ASS i.v.


Postpunktioneller Kopfschmerz

Pragmatisch zunächst flache Lagerung.

Stufe 1: Koffein 3 x 200 – 4 x 300 mg/d oder Theophyllin 3 x 200–350 mg/d. Ggf. überbrückend bis zum Wirkeintritt Lidocain i.n.

Stufe 2: Epiduraler Blutpatch 


Übelkeit/Erbrechen

Häufiges Begleitsymptom, besonders bei Migräne. Metoclopramid 10 mg i.v. , alternativ Domperidon 10 mg p.o. Cave: Bei beiden Medikamenten kann als Nebenwirkung eine extrapyramidale Störung auftreten. Sie sind aus dem Grund bei Parkinson-Erkrankung kontraindiziert (Gefahr einer akinetischen Krise!).  Außerdem wirken sie verlängernd auf die QTc-Zeit. Eine andere, allerdings etwas weniger wirksame Option bei der Indikation gegen Übelkeit stellt  Dimenhydrinat 62 mg i.v. dar. 


Exkurs: Prophylaxe bei Migräne & co.

Manche Patient*innen mit bekannten primären Kopfschmerzen haben einen chronischen Verlauf und nehmen eine medikamentöse Prophylaxe ein. Ziel ist die Verminderung der Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzen. Klassische Indikationen und Nebenwirkungen/Interaktionen der Medikamente werden im Folgenden kurz dargestellt:

  • ß-Blocker
    • Indikation: Migräne
    • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Hypotonie, Schwindel, Hypoglykämie, Bronchospasmus, Bradykardie
    • Mögliche Interaktionen: Mit intravenös verabreichtem Metamizol additive Blutdrucksenkung
  • Topiramat
    • Indikation: Migräne, Cluster-Kopfschmerz
    • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Parästhesien, Psychosen
    • Mögliche Interaktionen: Mit Steroiden Verstärkung der Neigung zu Psychosen
  • Valproinsäure
    • Indikation: vor allem bei Migräne
    • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Schwindel, Tremor, Hautausschlag, Leberfunktionsstörungen. Bei längerer Einnahme auch eine Enzephalopathie.
    • Man sollte vor allem daran denken, dass eine Medikation mit Valproinsäure nicht automatisch bedeutet, dass ein*e Patient*in an einer Epilepsie erkrankt ist!
  • CGRP-(Rezeptor-)Antikörper (Eptinezumab, Galcanezumab, Erenumab und Fremanezumab)
    • Indikation: Migräne, Cluster-Kopfschmerz und Kopfschmerz durch Übergebrauch von Schmerzmitteln (Medication overuse headache)
    • Nebenwirkungen: sehr wenige, durch die subkutane/intravenöse Gabe vor allem lokale Reaktionen. Gerade bei Erenumab auch das Risiko einer Anaphylaxie.
  • Indometacin
    • Indikation: paroxysmale Hemikranie und Hemicrania continua
    • Nebenwirkungen: vor allem gastrointestinal (Magenulzera). Hypertonie, Blutungsneigungen, Leber- und Nierenschädigung.
  • Andere (unvollständige Aufzählung): Amitriptylin (und selten andere Trizyklika), Lithium (an Lithiumintoxikationen denken!), Candesartan, Flunarizin, Triptane (werden bei einigen Kopfschmerzsyndromen auch zur Prophylaxe genutzt), Verapamil, Carbamazepin (an SIADH/Hyponatriämie denken!), Oxcarbazepin (dito!), Gabapentin, SSRIs, Acetazolamid (bei idiopathischer intrakranieller Hypertension)

Fazit

Die Therapie von Kopfschmerzen erfolgt nach genauer Kopfschmerzart. Patientenindividuelle Faktoren wie Allergien, Unverträglichkeiten, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, kardiovaskuläres Risikoprofil und individuelles Ansprechen auf Therapie müssen berücksichtigt werden.

Ausgewählte Literatur

  1. S1-Leitlinie Cluster Kopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen, AWMF-Registernummer: 030/036 
  2. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp, AWMF Registernummer 030 – 077
  3. S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, AWMF Registernummer 030 – 057
  4. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Trigeminusneuralgie, AWMF  030 – 016
  5. Pomeroy, J.L. et al. Ketamine Infusions for Treatment Refractory Headache. Headache, 2017; 57: 276-282. https://doi.org/10.1111/head.13013
  6. Neumann J. et al. Ketamine as Treatment for Cluster Headache: A Systematic Review of Literature and a Case Series. Pain and Therapy, 2024; 13: 651–662 https://doi.org/10.1007/s40122-024-00606-5
  7. Chah N. et al. Efficacy of ketamine in the treatment of migraines and other unspecified primary headache disorders compared to placebo and other interventions: a systematic review. J Dent Anesth Pain Med. 2021; 21(5):413-429. https://doi.org/10.17245/jdapm.2021.21.5.413
  8. Holle J. Akuter Kopfschmerz. Neurologie up2date, Thieme 2023; 6: 107–111
  9. Förderreuther et al. Kopfschmerzen in der Notaufnahme. Neurologie up2date, Thieme 2020; 3: 12–20
  10. Diener et al. Neues bei Kopfschmerzen. Neurologie up2date 2023; 6: 345–365
  11. Mattle H. et al. Kurzlehrbuch Neurologie. 5. A. Stuttgart: Thieme 2021
  12. Hufschmidt A. et al. Neurologie compact.  9. A. Stuttgart: Thieme 2022
  13. Topka H. et al. Neurologische Notfälle. 2. A. Stuttgart: Thieme 2023
  14. Diener H. et al. Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 8. A. Stuttgart: Kohlhammer; 2023

 


Haftungsausschluss

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1 Gedanke zu „Kopfschmerzen – Teil 3: Kopf über Wasser halten“

  1. Wie sieht es denn mit dem cox 2 hemmer parecoxib ( DYNASTAT) als Kopfschmerztherapie aus? Er ist i.v. verfügbar und ich hatte ihn schon einige Male bei muskuloskelettslen Schmerzen in der ZNA eingesetzt mit gutem analgetischem Ergebnis.

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