- Lagerungsschwindel – Teil 1: The good …
„Frau Doktor, ich habe so einen starken Schwindel seitdem ich heute morgen aufgewacht bin! Alles dreht sich!“
„Ist der Schwindel denn die ganze Zeit da?„„Aber ja, immer wenn ich mich bewege!“
„Aha, also nur bei Bewegung? Wie ist es jetzt gerade in Ruhe, haben sie dann den Schwindel auch?„
„Hmm, nein, da geht’s eigentlich. Aber sobald ich den Kopf bewege, dreht sich wieder alles.“
Hand aufs Herz, wer hat sich bei so einer Geschichte schonmal gedacht: „Ich hätte jetzt viel lieber einen anderen Patienten …“? Erfahrungsgemäß gehört das Leitsymptom Schwindel zu den unbeliebtesten Themen in Notaufnahmen, da die Diagnostik als komplex und die Therapie als unbefriedigend wahrgenommen wird. Flowcharts für die Abarbeitung ufern in alle Richtungen aus und noch dazu spielen sich die Beschwerden in einem Feld ab, in dem die wenigsten Notfallmediziner*innen trainiert wurden. Wer träumt da nicht lieber von einem ordentlich aufgeräumten ALS-Algorithmus?
Wir möchten daher Schritt für Schritt die wichtigsten Fallstricke, Tipps und Tricks für die Diagnostik von Schwindelerkrankungen beleuchten. Heute soll es um die häufigste Ursache von akutem Schwindel in Notaufnahmen gehen, den gutartigen Lagerungsschwindel.
Theorie
(Patho-)physiologie
Die Macula-Organe des Labyrinths am Utriculus und Sacculus sind mit einer Vielzahl kleiner Kalziumkarbonat-Kristalle überdeckt. Diese Otolithen können z. B. im Rahmen von Kopf-/Beschleunigungstraumen oder auch spontan abbrechen und nachfolgend fehlerhaft in einen der Bogengänge rutschen (Canalolithiasis) oder schlussendlich sogar an den Christae ampullares anhaften (Cupulolithiasis). Hierdurch verändert sich die Dichte und Trägheit der Endolymphe und es kommt zu einer veränderten Auslenkung der Cupula bei Drehbewegungen. Üblicherweise sollte der Grad an Aktivierung und Hemmung auf beiden Körperseiten identisch sein; nunmehr kommt es jedoch einseitig zu einer deutlich verstärkten oder abgeschwächten Reaktion. Diese Imbalance wirkt für das Gehirn irritierend – es kommt zu attackenhaftem Schwindel, Gangunsicherheit, Übelkeit und ggf. Erbrechen.

Nomenklatur
Es existieren mehrere Begriffe nebeneinander, die bis auf kleine Details das gleiche beschreiben:
BPPV = Benign positional paroxysmal vertigo (der englischsprachige Standardbegriff), BPLS = Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (die deutsche Entsprechung), gutartiger Lagerungsschwindel, Canalolithiasis, Cupulolithiasis, und ähnliche Varianten.
Abzugrenzen sind jedoch die betroffenen Bogengänge (posteriorer/hinterer vs. lateraler/horizontaler vs. anteriorer/vorderer Bogengang), da sich sowohl Diagnostik als auch Therapie unterscheiden – mehr dazu in Teil 2. Zudem existiert auch eine zentrale, „maligne“ Form des Lagerungsschwindels (CPPV = central paroxysmal positional vertigo) – hierzu mehr in Teil 3.
Merke: Eine Angabe „BPPV/BPLS“ ist nicht eindeutig genug – der betroffene Bogengang sollte ebenfalls angegeben oder zumindest eine Vermutung abgegeben werden, da sich hiernach die Therapie richtet.
Epidemiologie
Der BPPV tritt in allen Altersgruppen auf. Bei Personen unter 40 Jahren deutlich häufiger als traumatischer BPPV (Abscherung der Otolithen durch mechanische Einwirkung z. B. Schleudertrauma, Sport), bei älteren Patient*innen mit zunehmender Inzidenz durch atraumatische Genese („degenerationsbedingt“).
Inzidenz
Es existieren keine Daten über die Häufigkeit von BPPV in deutschen Notaufnahmen. Schätzungen aus dem Ausland lassen vermuten, dass etwa 50 % aller Vorstellungen von akutem Schwindel auf eine Variante des Lagerungsschwindels zurückgehen. Von diesen Fällen dürften rund 2/3 durch einen posterioren BPPV, 1/3 durch einen horizontalen BPPV verursacht werden. Der Anteil von zentralem Lageschwindel dürfte im einstelligen Prozentbereich liegen; ob ein BPPV des anterioren Bogengangs klinisch überhaupt relevant auffällt, ist umstritten.
Diagnostik
Typische Vorstellungen
- Häufig ältere Patient*innen (Frauen > Männer)
- Kurzfristig aufgetretener Schwindel (Vorstellung häufig unmittelbar am ersten Krankheitstag)
- Starker bis stärkster(!) Schwindel, Übelkeit, (subjektive) Gangstörung, bisweilen Erbrechen (nicht von der Triageinfo in die Irre leiten lassen – bisweilen Vorstellung mit Leitsymptom „Erbrechen“ oder gar „Gastroenteritis“)
- Starker attackenhafter Schwindel bei Kopfbewegung; bisweilen leichter residueller Schwindel in Ruhe
- KEINE weiteren Ausfälle – begleitend neue Seh- oder Hörstörungen, Paresen, Sensibilitätsausfälle, Ataxie, Dysarthrie etc. schließen einen gutartigen Lagerungsschwindel als Diagnose aus!
Diagnostisches Vorgehen
- Anamnese: Die Anamnese ist wie bei allen Schwindelerkrankungen das A und O. Hierzu existieren diverse Vorgehensweisen; wir empfehlen das Vorgehen nach TiTraTe: Timing, Trigger and Targeted Exams.
- Timing: Akut eingesetzter, attackenhafter (= nicht konstanter), intensiver Schwindel von wenigen Sekunden bis ca. 1 Minute Dauer, begleitet von Übelkeit und ggf. Erbrechen. Manchmal fremdanamnestisch berichteter passagerer Nystagmus währen der Attacken.
- Trigger: Die Attacken werden durch Kopfbewegungen getriggert – dies wird aber nicht immer klar von den Patient*innen beschrieben (jedoch durch die Untersuchung sehr leicht identifizierbar).
- Targeted Exams: Die primäre Diagnostik eines Lagerungsschwindels erfolgt durch Lagerungsmanöver.
- Diagnostik:
- Körperliche Untersuchung: Eine neurologische Basisuntersuchung mit speziellem Fokus auf zentrale Zeichen einer vertebrobasilären Ischämie sollte durchgeführt werden, d.h. insbesondere die Untersuchung von
- Okulomotorik (Augenbewegungen, Konvergenzreaktion, Blickfolge, Sakkaden, Nystagmus spontan und in Blickrichtung – bei allem immer an horizontale und vertikale Ebene denken!)
- Pupillomotorik
- Skew deviation (z. B. mittels Cover-Test)
- Kleinhirnzeichen wie Ataxie, Sensibilitätsstörungen usw.
- ggf. Kopfimpulstest und VOR-Suppressionstest; dies nur bei ansonsten auffälligen Untersuchungsergebnissen zur Differentialdiagnostik, und hierbei CAVE: bei BPPV wird der Kopfimpulstest beidseits negativ sein! Dies darf nicht verwechselt werden mit der HINTS-Testbatterie, die bei BPPV nicht angewandt werden darf!
- Körperliche Untersuchung: Eine neurologische Basisuntersuchung mit speziellem Fokus auf zentrale Zeichen einer vertebrobasilären Ischämie sollte durchgeführt werden, d.h. insbesondere die Untersuchung von
Die Patient*in stellt sich typischerweise mit einem durch Kopfbewegungen getriggerten, attackenhaften Schwindel vor. Syndromal sprechen wir einem triggerbaren episodischen vestibulären Syndrom (t-EVS).
Merke: Die körperliche Untersuchung bei einem Patienten mit BPPV soll unauffällig sein.
Die Lagerungsmanöver
Im Wesentlichen werden 2 Lagerungsmanöver für den posterioren gutartigen Lagerungsschwindel genutzt:
- International beliebt ist das Lagerungsmanöver nach Dix-Hallpike. Die Patient*in sitzt auf der Liege mit geradem Oberkörper so, dass ihr Kopf, sobald sie sich hinlegen wird, über das Ende der Trage hinausragen wird. In sitzender Position wird der Kopf um 45 Grad auf die zu testende Seite gedreht, der Kopf verbleibt in dieser Position. Nunmehr wird die Patientin rasch – aber ohne übertriebene Eile – auf den Rücken gelegt. Die Untersucher*in nimmt den Kopf und führt ihn, damit die Drehung in der Kopf-Körper-Achse erhalten bleibt. Sobald die Patient*in am Rücken liegt, wird der Kopf um weitere 30 Grad extendiert (deswegen war die Sitzposition zu Beginn so wichtig – die Extension klappt nur, wenn der Kopf über die Liege hinausragt!). All dies sollte eine einzige fließende Bewegung sein. In der Endposition beobachtet die Untersucher*in die Augenbewegungen der Patient*in für ca. 1 Minute.
- In Deutschland hingegen sieht man in der Praxis nahezu ausschließlich das Semont-Manöver. Die Endposition ist ähnlich, der Patient sitzt jedoch zu Beginn seitlich am Rand der Liege. Der Kopf wird um ca. 60 Grad zu einer Seite gedreht, der Patient muss sich anschließend auf die gegenüberliegende Körperseite(!) legen und auch auf der Seite liegen bleiben, ohne auf den Rücken zu rollen. Möchte man anschließend das Befreiungsmanöver durchführen, so muss sich der Patient aus dieser seitlichen Position um 180 Grad auf die andere Körperseite drehen – jedoch nicht um die Achse des Bettes, sondern um die Gravitationsachse!
Die Präferenz des Semont-Manövers in Deutschland hat hauptsächlich historische Gründe; es gibt jedoch eine Faktoren zu bedenken:
- Das Dix-Hallpike-Manöver ist explizit ein diagnostisches; das Semont-Manöver verbindet Diagnostik und Therapie in einem. Man kann jedoch auch nahtlos an einen positiven Dix-Hallpike-Test ein Befreiungsmanöver nach Epley anfügen, ohne dass die Körperposition zwischenzeitlich verändert werden müsste.
- Das Semont-Manöver könnte vielleicht durch leichtes „Klopfen“ des Kopfes auf der Liege eine Cupulolithiases lockern; diese Überlegungen basieren aber rein auf der Biomechanik, und es gibt keine Daten, die die Überlegenheit belegen. Gemäß Studienlage haben beide Manöver eine vergleichbare diagnostische Aussagekraft – solange sie korrekt durchgeführt werden.
- Aber: Das Semont-Manöver erfordert deutlich mehr Beweglichkeit vom Patienten, sowohl in der HWS als auch im Rumpfbereich. Die große Gruppe der geriatrischen Patienten tut sich mit beidem häufig schwer. Insbesondere die eigenständige häusliche Beübung ohne führende Hand der Behandler*in macht Probleme. Da wir Patient*innen mit BPPV aus der Notaufnahme oder Rettungsdienst zunächst ohne weitere ambulante Betreuung nach Hause entlassen, ist die eigenständige Beübung jedoch erfolgsentscheidend!
Wir sehen daher klare Vorteile für das Dix-Hallpike-Manöver als primäre Methode der Diagnostik in der Notaufnahme, auch wenn das Semont-Manöver in Spezialfällen womöglich Vorteile bietet.
Egal, welches Manöver man wählt, es gibt prinzipiell 3 mögliche Ergebnisse:
- Nichts passiert (kein Schwindel, kein Nystagmus). In diesem Fall ist das Lagerungsmanöver negativ. Die Gegenseite sollte nun geprüft werden, oder die Verdachtsdiagnose muss geändert werden.
- Die Patient*in entwickelt kurz Latenz von wenigen Sekunden einen intensiven Schwindel, ggf. auch Übelkeit und sogar Erbrechen. Begleitend besteht ein vertikaler Nystagmus mit rotatorischer Komponente zum unten liegenden Ohr (geotrop). Die Intensität des Nystagmus folgt einem crescendo-decrescendo-Muster und dauert üblicherweise etwa 10-30 Sekunden an; mit Beendigung des Nystagmus verebben Schwindel und Übelkeit. In diesem Fall ist das Lagerungsmanöver positiv. Die Diagnose wurde damit gesichert.
- Es stellen sich Nystagmen in anderen Schlagrichtungen ein, oder es zeigt sich ein unerschöpflicher Nystagmus (> 1 Minute). Dieses Ergebnis ist unbestimmt; es sind weitere Untersuchungen zur Differenzierung nötig. Näheres zu diesem Fall folgt in Teil 2 dieser Serie.
Zwei schöne Praxisbeispiele eines positiven Befundes liefert uns der legendäre Peter Johns:
Weitere Diagnostik
Bei klinisch eindeutigem Befund ist KEINE weitere Diagnostik indiziert!
Ganz besonders ist eine native Schädelbildgebung auf GAR KEINEN Fall indiziert. Die Diagnose eines BPPV ist nach wie vor eine klinische Diagnose, die in der Bildgebung aufgrund der geringen Größe der Bogengänge nicht festgestellt werden kann. Ohnehin ist die Sensitivität eines nativen cCT für einen strategischen Schlaganfall, der ähnliche Beschwerden verursachen könnte, so gering, dass durch falsch-negative Befunde vielmehr eine falsche Sicherheit erzeugt und Fehldiagnosen verstärkt werden.
Eine Ausnahme kann allenfalls für die Bestimmung eines Vitamin D-Spiegels gemacht werden, da man eine Assoziation zwischen Vitamin D-Mangel und Auftreten eines BPPV sieht. Ob dieser Mangel dem BPPV wirklich ursächlich zugrunde liegt, darf bezweifelt werden. Vielmehr sind geriatrische Patient*innen, die sich wenig bewegen, schlichtweg für beide Erkrankungen prädisponiert.
Therapie
Befreiungsmanöver
War die Situation bei den Lagerungsmanövern schon etwas kompliziert, so zeigen sich bei den Befreiungsmanövern eine Fülle an möglichen Methoden:
- Epley-Manöver
- Semont-Manöver (der therapeutische Arm des Manövers)
- Brandt-Daroff-Manöver
- Foster-Manöver
- Gans-Manöver
Prinzipiell sind die meisten dieser Manöver nur unzureichend gegeneinander getestet worden, manche scheinen biomechanisch nur unzureichend wirksam sein zu können. Etabliert hat sich hier international das Epley-Manöver als Standard, weshalb wir dieses empfehlen.
Die Ausgangsposition des Epley-Manövers entspricht nahezu der Endposition des Dix-Hallpike-Manövers – wie praktisch! 😉 Der Patient liegt flach auf dem Rücken, der Kopf ist um 45 Grad zur betroffenen Seite gedreht. Die HWS sollte nicht mehr rekliniert sein, wie es beim Lagerungsmanöver noch der Fall gewesen war. Ausgehend von dieser Position wird nun die Patient*in mehrfach gedreht:
- Den Kopf um 90 Grad zur gegenüberliegenden Schulter drehen
- Den gesamten Körper um 90 Grad zur Seite drehen, die Patient*in liegt nun auf der Seite (den Kopf mitdrehen -> schaut nun also Richtung Boden!)
- Aus der seitlichen Position nun aufrichten, die Füße auf den Boden, und erst bei aufrechtem Sitz den Kopf wieder in Neutralstellung drehen
Zwischen den einzelnen Bewegungen verharrt die Patient*in in den Positionen – entweder für ca. 30 Sekunden oder bis ein eventuell auftretender Schwindel wieder verschwunden ist.
Auch hier hilft uns Peter Johns mit seinen Videos:
Ein einzelnes Manöver hat eine NNT (number needed to treat) von lediglich 3! Tatsächlich ist eine erstaunlich große Menge an Patient*innen bereits nach einem Manöver sichtbar beschwerdegelindert oder sogar vollständig „befreit“. Generell sollte das Manöver zumindest einmalig mit der Patient*in zusammen in der Notaufnahme/prähospital durchgeführt werden; nicht nur aus symptomatischen Gründen zur sofortigen Linderung der Beschwerden, sondern auch, damit Patient*innen den Bewegungsablauf kontrolliert erlernen können, um ihn bei Bedarf zu Hause wiederholen zu können.
Medikamentöse Therapie
Prinzipiell ist das Befreiungsmanöver die einzig nachgewiesene echte Therapie. Eine medikamentöse Therapie z. B. mit Antivertiginosa ist häufig nur unzureichend wirksam (der Schwindel kann wirklich sehr intensiv sein!), sie verzögert oftmals auch die korrekte Therapie und sorgt für Nebenwirkungen bei älteren Patient*innen (anticholinerge Wirkungen, extrapyramidale Störungen).
Procedere
Bei eindeutiger Diagnose können Patient*innen ambulant aus der Notaufnahme entlassen werden. Das passende Befreiungsmanöver sollte, sofern noch keine Beschwerdefreiheit besteht, für einige Tage wiederholt werden; pragmatisch ist eine Beübung für 7 Tage, jeweils zweimal pro Tag. In jedem Fall sollte den Patient*innen eine Patienteninformation mitgegeben werden (z. B. online abrufbar über die Website des Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrums für das Semont-Manöver, oder über die Website des Universitätsklinikum Regensburg für Epley, Semont und Lempert-Manöver).
Alltagsaktivitäten sollten wie gewohnt durchgeführt werden. Eine körperliche Schonung sollte vermieden werden, da sich hier tendentiell erneut Debris-Klumpen bilden und damit ein Rezidiv entsteht. Generell liegt die Rezidiv-Rate bei rund 50 % innerhalb von 3 Jahren – viele Patient*innen sind dann aber bereits selbstständig in der Lage, ihn zu Hause zu behandeln.
In bestimmten Situationen, wie schlechte Mobilität, sehr intensive Symptomatik mit Erbrechen und Unmöglichkeit des Befreiungsmanövers, kann eine kurzstationäre Aufnahme sinnvoll sein. Nicht selten haben sich die Otolithen bis zum Folgetag während des Schlafs von selbst etwas gelockert, und es kann am Folgetag ein zielgerichtetes Befreiungsmanöver durchgeführt werden.
Prähospitale Versorgung
Prinzipiell ist die prähospitale Versorgung identisch. Patient*innen, die sicher diagnostiziert werden und befreit werden und bei denen anschließend keine relevante Symptomlast mehr besteht, können prinzipiell zu Hause verbleiben und ggf. eine vestibuläre Rehabilitation über ihren Hausarzt organisieren.
Schnelle Fragen – schnelle Antworten
Schwindel – gab es da nicht HINTS zur Diagnostik?
HINTS (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew) ist ein wunderbarer Algorithmus, der jedoch nur für das akute vestibuläre Syndrom validiert wurde. Dieses besteht aus dauerhaftem (nicht intermittierendem) Schwindel, Spontannystagmus(!), Übelkeit/Erbrechen und Gangstörung. Beim BPPV bestehen typischerweise weder Spontannystagmus noch (objektivierbare) Gangstörung.
Wie sieht der natürliche Verlauf des gutartigen Lagerungsschwindels aus?
Bei einem BPPV des posterioren Bogengangs löst sich dieser in vielen Fällen spontan durch Drehbewegungen während des Schlafs. Dies dauert aber regelhaft einige Tage bis Wochen. Ein gut durchgeführtes Befreiungsmanöver kann daher einen relevanten Benefit für die Patient*innen bringen. Zudem sieht man bisweilen aber auch „chronifizierte“ Formen mit teils jahrelang bestehenden Schwindelattacken, die erst in den Schwindelambulanzen diagnostiziert und befreit werden. Auch ein lang bestehender episodischer Schwindel kann also einen BPPV als Ursache haben.
Was ist, wenn ich den Patienten nicht richtig lagern kann, z. B. bei Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule?
Vor allem bei geriatrischen Patient*innen ist das häufig ein Problem. Eine Überweisung zur vestibulären Rehabilitation (Physiotherapie) ist für den ambulanten Bereich eine gute Möglichkeit, um vorsichtig durch wiederholte Beübung unter Anleitung doch einen Therapieerfolg zu schaffen, ggf. unter Hinzuziehung alternativer Befreiungsmanöver. In hartnäckigen Fällen können Schwindelambulanzen mit Rotundum helfen, in welchem Patient*innen festgeschnallt durch alle Ebenen bewegt werden können – solange ihnen dabei nicht (allzu) übel wird …

Fazit
- Stärkste Schwindelattacken, getriggert durch Kopfbewegungen – denke an BPLS
- Anamnese mittels TiTraTe
- Diagnostisch das Dix-Hallpike-Manöver nutzen
- KEINE Bildgebung – nicht indiziert und ohne diagnostischen Mehrwert
- Einzig etablierte Therapie: Befreiungsmanöver
- Trotz durchaus intensiver Symptomatik insgesamt gutartige Erkrankung, die bei korrekter Behandlung rasch geheilt werden kann – eine Freude für Patient*in und Behandler*in!
Ausgewählte Literatur
- Edlow, Jonathan A., Christopher Carpenter, Murtaza Akhter, Danya Khoujah, Evie Marcolini, William J. Meurer, David Morrill, u. a. „Guidelines for Reasonable and Appropriate Care in the Emergency Department 3 (GRACE-3): Acute Dizziness and Vertigo in the Emergency Department“. Academic Emergency Medicine: Official Journal of the Society for Academic Emergency Medicine 30, Nr. 5 (Mai 2023): 442–86. https://doi.org/10.1111/acem.14728.
- Brandt, Thomas, M. Dieterich, und M. Strupp. Vertigo. 3. Aufl. Berlin [u.a.]: Springer, 2021.
- Kerber, Kevin A., Laura Damschroder, Thomas McLaughlin, Devin L. Brown, James F. Burke, Steven A. Telian, Alexander Tsodikov, u. a. „Implementation of Evidence-Based Practice for Benign Paroxysmal Positional Vertigo in the Emergency Department: A Stepped-Wedge Randomized Trial“. Annals of emergency medicine, 1. Januar 2019. https://doi.org/10.1016/j.annemergmed.2019.09.017.
- Timothy C. Hain. https://dizziness-and-balance.com/disorders/bppv/bppv.html, Website, zuletzt abgerufen am 21.05.2025.
- Peter Johns. https://www.youtube.com/@PeterJohns/videos, YouTube-Kanal, zuletzt abgerufen am 21.05.2025.
Haftungsausschluss
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