- Kopfschmerzen – Teil 1: mit dem Kopf gegen die Wand
Kopfschmerzen sind ein häufiges Leitsymptom. Etwa 4,5 % aller Vorstellungen in einer Notaufnahme erfolgen wegen Kopfschmerzen. Erfreulicherweise liegt nur selten eine gefährliche Ursache vor.
Man unterscheidet zwischen primären Kopfschmerzen, bei denen der Schmerz an sich die Erkrankung darstellt (z. B. Migräne), und sekundären Kopfschmerzen, wo die Schmerzen als Symptom einer anderen, potenziell lebensbedrohlichen, Erkrankung (z. B. SAB) auftreten. Primäre Kopfschmerzen sind zwar belastend, aber ungefährlich.
Der Fokus in der Akut- und Notfallmedizin liegt auf der Differenzierung primär vs. sekundär, der akuten Schmerztherapie sowie der richtigen Transportstrategie, Erstdiagnostik und Disposition.
Die genaue Einordnung der diversen primären Kopfschmerzarten mit entsprechender Langzeitbetreuung und Therapie erfolgt durch Spezialist*innen.
Anamnese und Untersuchung
In der Anamnese spielt das OPQRST Schema eine bedeutsame Rolle!
Der zeitliche Verlauf ist zur differentialdiagnostischen Einordnung besonders wichtig. Hier sollten folgende Fragen beantwortet werden:
- dauerhaft/intermittierend
- Dauer und Häufigkeit der Episoden
- Reihenfolge bzw. Ablauf von Symptomen
- Veränderung der Symptome im Verlauf
- tageszeitliche und jahreszeitliche Verteilung der Attacken (Cluster-Attacken sind häufiger nachts sowie im Frühjahr und Herbst)
Folgende Punkte sind zur Einordnung relevant:
- vegetative Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen)
- autonome Begleitsymptome (Ptosis, Lakrimation=Augentränen, konjuktivale Injection=gerötetes Auge, Rhinorrhoe, nasale Kongestion)
- sensorische Überempfindlichkeit (Photo-, Phono- oder Osmophobie)
- Vorerkrankungen und Operationen (z.B. VP-Shunt)
- Toxinexposition (Kohlenmonoxid)
- Alkohol- und Drogenkonsum
- Familienanamnese (Migräne, Aneurysma)
- Dauermedikation (insbesondere Antikoagulation/Plättchenhemmung, aber auch Vasodilatatoren)
- Eingenommene Bedarfsmedikation
Red Flags eruieren!
Red Flags
- Alter >50 Jahre
- Tumorerkrankung oder Immunsuppression
- Schwangerschaft
- Perakuter Beginn
- Fieber, ggf. Meningismus
- Sehstörung
- Fokales Defizit mit (sub)akutem Beginn
- Zunehmende Schmerzintensität oder fehlendes Ansprechen auf Schmerzmittel
- Bei bekannten Kopfschmerzen: Veränderung der Kopfschmerzcharakteristika
Klinische Untersuchung
Eine neurologische sowie internistische Untersuchung ist unentbehrlich. Je nach Beschwerden wird auch eine ophthalmologische (Glaukomanfall) oder HNO- und MKG-Untersuchung (Fokussuche einer Meningitis) notwendig.
Glaukomanfall
Bei V.a. Glaukomanfall kann ein steinharter Bulbus schon die Diagnose untermauern. Die palpatorische Bulbusuntersuchung sollte durch zwei Zeigefinger erfolgen und der Befund im Seitenvergleich erhoben werden.
Ein fehlender Meningismus schließt eine SAB oder eine Meningitis nicht aus!
Transportstrategie und Disposition
Die Transportstrategie hängt von der genauen Präsentation sowie den lokalen Gegebenheiten ab. Notfallmediziner*innen sollten in der Lage sein, bekannte primäre Kopfschmerzen adäquat zu betreuen. Bei V.a. sekundären Kopfschmerzen muss eine weitere Diagnostik in der Notaufnahme erfolgen und ggf. die weitere Verlegung in eine Neurologie/Neurochirurgie. Bei Erstmanifestation von primären Kopfschmerzen sollte, nach Ausschluss von Red Flags, eine zeitnahe ambulante neurologische Anbindung empfohlen werden.
Labor und Liquor
Laborchemische Untersuchungen sind eher bei sekundären Kopfschmerzen relevant (Infektionsparameter, Leber- und Nierenwerte, Gerinnungsdiagnostik, Blutbild insb. Hämoglobin).
Die venöse BGA ist ein unterschätztes Tool, was schnelle erste Ergebnisse liefert und besonders bei V.a. CO-Intoxikation eingesetzt werden sollte.
Verdacht auf Meningitis → Blutkulturen abnehmen! (vor der ersten Gabe der antiinfektiven Therapie)
Die Liquordiagnostik hat einen Stellenwert bei Verdacht auf Meningitis/Enzephalitis oder subarachnoidaler Blutung. Bei V.a. SAB mit negativem CT, aber weiterhin bestehendem hochgradigen Verdacht, sollte eine Liquorpunktion erfolgen.
Liquor: virale vs. bakterielle Meningitis
Differenzierung virale vs. bakterielle Meningitis nach DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) | |||
Parameter | Normal | Viral | Bakteriell |
Aussehen | Klar | Klar oder leicht trüb | Trüb/eitrig |
Zellzahl/µl | < 5 | <1000 (meist <300) | >1000 |
Zytologie | Lymphozytär | Granulozytär | |
Laktat | < 3 | max. 4 mmol/l | >5 mmol/l |
Glukose | normal | erniedrigt | |
Liquor-Serum-Glukose-Index | normal | erniedrigt (<3) | |
Gesamteiweiß mg/dl | < 50 | <100 | >100 |
Liquor bei SAB
Die Liquordiagnostik bei einer SAB ist frühestens nach ca. 6 Stunden aussagekräftig.
Typischerweise ist der Liquor xanthochrom (vor einem weißen Hintergrund untersuchen!), die 3-Gläser-Probe positiv und der Ferritin-Wert erhöht.
3-Gläser-Probe: bei einer iatrogenen Blutung wird die Blutbeimengung im 3. Röhrchen weniger als beim 1., bei einer echten Blutung bleibt die Menge gleich. Cave: kein sicheres Zeichen!
Zytozentrifugenpräparat: 6 bis 12 Stunden nach Beginn der Blutung sind Erythrophagozyten nachweisbar, ca. weitere 36 Stunden später Siderophagen.
Bildgebung
Eine notfallmäßige Bildgebung ist bei Red Flags, klinischem Verdacht auf sekundären Kopfschmerzen oder Erstmanifestation einer schwer einzuordnenden Kopfschmerzsymptomatik indiziert.
Die Verdachtsdiagnose, Dringlichkeit aber auch Verfügbarkeit bestimmt das passende radiologische Verfahren (CT oder MRT, mit oder ohne arterieller oder venöser Gefäßdarstellung).
Bildgebung in der Notaufnahme
Verdachtsdiagnose | Bildgebendes Verfahren |
Subarachnoidale Blutung | cCT, ggf. Angio |
Intrakranielle Blutung | cCT oder cMRT |
Sinusvenenthrombose | cMRT + venöse Angio, alternativ cCT + venöse Angio |
Ischämischer Schlaganfall | cCT + Angio, ggf. Perfusionsmessung, alternativ cMRT |
Dissektion hirnversorgender Arterien | cMRT + Angio, alternativ cCT + Angio |
Meningoenzephalitis | cCT |
Hirntumor | cMRT, alternativ post-KM cCT |
So sehr wie wir POCUS lieben, kommt die Sonographie bei Kopfschmerzen selten und wenn dann nur durch erfahrene Anwender zum Einsatz. Indikationen können sein: Dissektionen, Vasospasmen, Stenosen oder bei einer Arteriitis temporalis (Halo-Zeichen).
Kopfschmerzen – Einordnung
Je nach Manifestation kann man Kopfschmerzen grob wie folgt kategorisieren:
- Vernichtungskopfschmerzen
- plötzlicher Halbseitenkopfschmerz
- periorbitale Kopfschmerzen
- holozephale Kopfschmerzen
Mehr dazu folgt im Teil 2!
Fazit
Eine systematische Anamnese und Untersuchung ist, wie bei vielen neurologischen Krankheitsbildern, notwendig (und oft ausreichend!) zur weiteren differentialdiagnostischen Einordnung und Einleitung der entsprechenden Diagnostik und Therapie.
Ausgewählte Literatur
- Holle J. Akuter Kopfschmerz. Neurologie up2date, Thieme 2023; 6: 107–111
- Förderreuther et al. Kopfschmerzen in der Notaufnahme. Neurologie up2date, Thieme 2020; 3: 12–20
- Diener et al. Neues bei Kopfschmerzen. Neurologie up2date 2023; 6: 345–365
- Mattle H. et al. Kurzlehrbuch Neurologie. 5. A. Stuttgart: Thieme 2021
- Hufschmidt A. et al. Neurologie compact. 9. A. Stuttgart: Thieme 2022
- Topka H. et al. Neurologische Notfälle. 2. A. Stuttgart: Thieme 2023
- Diener H. et al. Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 8. A. Stuttgart: Kohlhammer; 2023
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